Die Kids im Goldenen Kinderdorf werden an Weihnachten immer reich beschenkt – Michael Reizel sei Dank. Die vier Haussprecher drückten hierfür ihren Dank und vor allem ihre Wertschätzung aus. Deshalb machte Samantha (14 Jahre) den Vorschlag, auch mal Anderen was Gutes zu tun.
Die Kinder hatten insbesondere Menschen in Notsituationen im Blick. Daraus ist die Idee geboren, den Menschen, die Hilfe in der Bahnhofsmission suchen, etwas Gutes zu tun. Gemeinsam haben sie entschieden, in jedem Haus eine Spardose aufzustellen, in die jeder etwas einwerfen konnte. Dabei sind stolze 150,76 Euro zusammengekommen!
Die Spendenübergabe konnte pandemiebedingt vor Weihnachten nicht stattfinden, was Geschäftsführender Vorstand Roland Elsdörfer und Kinderdorfleitung Elke Becker im April nachholten. Elsdörfer rundete die Spende auf, sodass ein symbolischer Scheck in Höhe von 400 Euro an Einrichtungsleiter Michael Lindner-Jung übergeben werden konnte.
Lindner-Jung empfing Becker und Elsdörfer herzlich und gab einen Einblick in die vielfältige Arbeit der Würzburger Bahnhofsmission. „Wir sind der allerletzte Rettungsanker, nach uns kommt nichts mehr“, sagt Lindner-Jung. Trotz Kontaktbeschränkungen wurden die Mitarbeitenden in 2020 fast 39.000 Mal um Hilfe angefragt. Über 300 Mal übernachteten Frauen in der Einrichtung. Die psychosoziale Not ist laut Lindner-Jung groß. Und aufgrund der Hygienemaßnahmen schwerer als sonst zu lindern: „In vielen Fällen müssen wir damit leben, dass es einfach nicht reicht, was wir gerade machen.“ Nicht zuletzt deshalb, weil die meisten Besucher mit einem ganzen Bündel von Plagen ankommen und nach einem Kontakt mit der Bahnhofsmission sich wieder ganz selbst überlassen sind.
Psychische Belastungen sind derzeit ein vermehrtes Problem. Bei fast jedem dritten Kontakt haben es die Haupt- und Ehrenamtlichen mit einem Menschen zu tun, der unter Depressionen oder Ängsten leidet, der mit einer bipolaren Störung leben muss oder schwer traumatisiert ist. Gleichzeitig kommen Traumatisierte laut Michael Lindner-Jung mit den Bedingungen, unter denen sie derzeit leben müssen, noch schwerer als sonst klar.
Dass mittlerweile diskutiert wird, ob wir künftig weiterhin so tief in die Tasche greifen können wie bisher, um soziale Not zu mildern, beunruhigt Michael Lindner-Jung. Natürlich: Der Wirtschaft, den Kommunen geht es aufgrund der Pandemie oft nicht gut. Bund und Länder nehmen massive Schuldenlasten auf sich. Und die Kirchen haben unter dem Einbruch der Steuermittel zu leiden. Dennoch hofft der Einrichtungsleiter sehr, dass die in der Region einzige Anlaufstelle mit Öffnungszeiten rund um die Uhr an jedem Tag des Jahres nicht in Frage steht. Mehr Menschen denn je werden in Zukunft die Bahnhofsmission brauchen. Denn viele geraten durch die Corona-Krise erstmals im Leben in eine Notlage.
Vielen Kindern im Goldenen Kinderdorf ist selbst viel Ungutes widerfahren, gerade deshalb macht dieses Zeichen der Solidarität mit Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, sehr viel Mut. Darüber sind sich Michael Lindner-Jung, Elke Becker und Roland Elsdörfer einig.